europa dokumentaro
documentatio europaea * europa-dokumentation * documentation
européenne * european documentation * documentazione europea
ausgabe nr. 19
januar 2003
issn 1439 - 216X
Editorial
Sehr verehrte Damen, sehr geehrte
Herren,
liebe Freunde von europa dokumentaro,
seit der Ausgabe 18, Juli 2001,
sind eineinhalb Jahre vergangen. Kurz nach dem Erscheinen dieser Ausgabe mußte
ich mich einer schweren Krebsoperation unterziehen.
Das hat mich erheblich zurückgeworfen.
Vieles, unter anderem die Arbeit an europa dokumentaro, ist liegen geblieben.
Ihnen und mir hat europa dokumentaro
in den vergangen Jahren viel Freude bereitet. Ich habe immer wieder sehr viel
Zustimmung erfahren dürfen. Deshalb soll europa dokumentaro nun auch
wieder regelmäßig erscheinen.
Der EuropaKlub hat anläßlich
seiner Mitgliederversammlung im November 2001 Sparmaßnahmen verordnet.
Er trägt die Kosten der Printausgaben nicht mehr.
Aus diesem Grunde wird europa
dokumentaro ab dieser Ausgabe kostenlos nur noch als Magazin im Internet erscheinen
können.
Selbstverständlich steht
Ihnen auch die Printversion zur Verfügung, die bei vier Ausgaben im Jahr
einen Bezugspreis von EUR 12,-- p. a. haben wird. Damit sind dann gerade die
Druck- und Versandkosten gedeckt.
Bestellungen richten Sie bitte
schriftlich an
Verlag Piotrowski & Piotrowski
Postfach 27 42
D- 58027 Hagen
oder per e-mail an
verlag@piotrowski.de.
Ich wünsche mir, daß
Sie auch weiterhin zu unseren treuen Lesern zählen und, wenn auch verhältnismäßig
spät, Ihnen alles Gute für das Jahr 2003.
Mit den besten Grüßen
Ihr Siegfried
Piotrowski
"Europas Sprachlosigkeit -
Vom blinden Fleck der European Studies
und seiner eurologischen Behebung"
lautet der
Titel des im vergangenen Jahr in der Europäischen Reihe "Entnationalisierte
Wissenschaft" als Band 5 erschienenen Bandes. Die Herausgeber Siegfried
Piotrowski und Helmar Frank legen folgenden Inhalt vor:
Erster Teil
Die Gesellschaft für sprachgrenzübergreifende
europäische Verständigung (EuropaKlub) e.V.:
Entstehung und Entwicklung, Wirkungen
und Weggefährten,
Kapitel 1.1 Rückblick und
Ausblick
Kapitel 1.2 Innerer Aufbau und
Außenwirkung
Kapitel 1.3 Europapolitik
Kapitel 1.4 Europapädagogik
Kapitel 1.5 Entnationalisierte
Wissenschaft
Zweiter Teil
Eurologie - Fach und Forschung
Kapitel 2.1 Methodenansatz und
Inhaltsbeispiele von Eurologie und Eurolinguistik
Kapitel 2.2 Sprachpolitik in eurologischer
Sicht
Kapitel 2.3 Europhilosophische
Reflexionen
Das Buch ist im KoPäd Verlag
München erschienen. ISBN 3-935686-25-0.
Ladenverkaufspreis EUR 14,90, SFR 28,--
Relaunch des EuropaKlub
Internet-Auftritts
Mit Hilfe von
Herrn Jürgen Reddig, Geschäftsführer der RuR Werbeagentur GmbH,
Dortmund wurde der Internet-Auftritt völlig überarbeitet. Neben
der Aktualisierung der Inhalte wurde Wert auf eine bessere Navigation und
die Möglichkeit des einfachen Downloadens gelegt.
Sie finden auf der EuropaKlub-Seite
http://www.europaklub.de
nun folgende Themen:
EuropaKlub
1. Die EU im Jahre 1974,
2. Die Gesellschaft für sprachgrenzübergreifende
europäische Verständigung,
3. Wer führte den EuropaKlub
durch 25 Jahre,
4. Satzung,
5. Was tut der Europa Klub für
seine Mitglieder / ist im Beitrag enthalten ?
die Ziele,
der Jahresbeitrag, die Vorstandsmitglieder und
die Beitrittserklärung.
europa dokumentaro
Link zum Mitteilungsblatt
Literatur
Link zum Band „Europas Sprachlosigkeit“,
Hrsg. Piotrowski und Frank
Private Europa-Universität
Die Gründungsurkunde für
die Privat-Universität in Komaron / SK
Kulturneutrale Kommunikation
1. Brief an Roman Herzog,
2. Brief an Viviane Reding
Kontakt
Impressum
gesetzlich vorgeschriebenes
gemaess § 6 MDStV
Eine frühe europäische Gemeinschaft: Die
Hanse
Vortrag anläßlich
der Mitgliederversammlung des EuropaKlub am 14. Dezember 2002 in Hamburg
von Professor Dr. Werner Bormann,
Hamburg
Hier im Tagungsort
Hamburg fahren 1 Million Autos mit dem Kennzeichen HH. Ganz große Städte
in Deutschland haben sonst immer nur 1 Buchstaben als Kennzeichen. Hamburg
als zweitgrößte Stadt der Bundesrepublik ist die Ausnahme, weil
es darauf besteht, seine Geschichte als Hansestadt herauszustellen. Diese
Stadt hier nennt sich also voll Stolz: Hansestadt Hamburg. Aber auch andere
norddeutsche Städte teilen diese achtungsvolle Rückbesinnung auf
ihre große Vergangenheit: HB Bremen, HL Lübeck, HWI Wismar, HRO
Rostock, HST Stralsund, HGW Greifswald.
Es handelt sich um alte Kaufmannsstädte
des Seehandels. In ihnen war aber auch gleich das geistige Leben bedeutsam.
Rostock hat eine Universität von 1419 und Greifswald eine solche Hochschule
seit 1456. Das war eine frühe Regung der Wissenschaften. Zum Vergleich
sei bemerkt, dass im deutsch beherrschten Gebiet die Nr. 1 unter den Universitäten
Prag von 1348 war, deren deutsche Studenten 1409 in eine Universität
Leipzig gingen. Der Norden konnte mit den ehrwürdigen Hochschulen des
Südens mithalten; die Universität Heidelberg stammt aus 1386, München
1472 und Tübingen 1477.
Das Wort Hanse bedeutet: streitbare
Schar, geschlossene Vereinigung. Die Benutzung des Begriffs ist erstmals 799
in Regensburg nachgewiesen; so steht es im berühmten Deutschen Wörterbuch
der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Auf Lateinisch wird die Hanse einfach
mit „societas mercatorum“ (Gemeinschaft der Kaufleute) übersetzt. Das
Wort „Hansestadt“ wurde zuerst im Jahr 1330 durch die Stadt Anklam gebraucht,
die jetzt das Zentrum des Kreises Ostvorpommern ist (OVP, in ihm liegt Greifswald).
Die Hanse betrieb den Fernhandel.
Das war damals, im 12. Jahrhundert, eine geradezu sensationelle Neuerung.
Dazu gehörte Wagemut (Risikobereitschaft), Überblick über Bezugsquellen
und Kauf- verhalten, also Marktkenntnis, Voraussicht, Einsetzen von eigenem
Vermögen, Führungsqualitäten, Organisationstalent, lauter
positive Eigenschaften. Insofern ist der stolze Bezug auf die hanseatischen
Tugenden auch heute noch voll gerechtfertigt. Und es gab einen Lohn für
die außerordentlichen Bemühungen: wenn auch noch das Glück
dazukam, dann konnte der Kaufmann durch seinen Handel reich werden.
Fernhandel gab es im klassischen
Altertum rund um das Mittelmeer, bis Griechenland und das römische Reich
vergingen. Dann trat für fast ein Jahrtausend eine lange Pause ein. Im
Land der Germanen, der Wikinger und anderer nordeuropäischer Völker
gab es schließlich nach dieser historischen Pause ein bisschen Fernhandel,
in minimalen Mengen per Ochsenkarren, oder dass gar das Produkt, das Fleisch,
sich selbst in Form von getriebenen Herden beförderte (auf dem „Ochsenweg“
von Dänemark nach Süden über „Hamburg-Ochsenzoll“, heute eine
U-Bahn-Station).
Ein ständiger Fernhandel,
sein Ausbau zu einem Geschäft, ergab sich erst mit dem Anfang der Hanse:
Wein vom Rhein war nachgefragt und er wurde demgemäß gehandelt.
Bedeutsam war dafür Köln, mit einem Stadtrecht von 1157 und mit
damals 20.000 Einwohnern. Der Wein wurde nach England exportiert und von dort
wurden Tuche und auch gewerbliche Produkte importiert.
Köln war ursprünglich
eine Gründung der Römer, eine schon damals ganz alte Stadt. Andere
Städte kamen erst später zum Geschäft. Besondere Bedeutung
gewann der Fernhandel mit Schiffen auch rings um die Ostsee. Hier spielte
Lübeck eine herausragende Rolle. Diese Stadt, von Heinrich dem Löwen
gegründet, bekam 1143 ihr Stadtrecht und sie wurde 1226 Reichsstadt.
In dieser Zeit bekam auch Hamburg
sein Stadtrecht. Wo die Stadt liegt, am Zusammentreffen der Flüsse Bille,
Alster und Elbe, gab es um 800 eine Siedlung, die 831 Bischofssitz wurde und
834 sogar einen Erzbischof bekam. Dieser wurde aber durch kriegerische Einfälle
der Wikinger vertrieben, so dass der Bischofssitz erst nach Bremen und schließlich
nach Osnabrück zurückgezogen wurde. Hamburg und Lübeck schlossen
in 1241 einen Schutzvertrag.
Die Kaufleute von jeweils einer
Stadt gingen untereinander Bündnisse ein, insbesondere zum gemeinsamen
Schutz der Wege, Verkehrsmittel und Güter des Handels. Ihre Niederlassungen
im Ausland nannten sie „Kontore“. Diese Handelsposten wurden dann ab 1356
einheitlich geleitet. Alle diese Zusammenschlüsse nannten sich ab 1358
„Deutsche Hanse“.
Auf die Randbedingungen des Kaufmannslebens
muss hier ein Blick geworfen werden.
Da ist einmal die Gesellschaftsstruktur
von damals zu betrachten. Fast alle Menschen waren bitterarm, das Leben war
primitiv. Auf dem Land lebte die große Mehrheit der Bevölkerung
in Subsistenzwirtschaft, das heißt: man erzeugte das, was man dann auch
selbst verbrauchte; dabei gab es praktisch keinen Handel. In den Städten
gab es ein Handwerk („Stadtluft macht frei“). Alle Menschen, Leibeigene in
den Dörfern und Stadtbürger, mussten Abgaben an eine zahlenmäßig
kleine Oberschicht mit Luxusbedürfnissen zu leisten
Es gab eine sehr große Anzahl
von Klöstern aufgrund der Bedeutung der Kirche. Eine Gesellschaft im
europäischen Mittelalter mit so vielen Mönchen und Nonnen konnte
ich mit Tibet vergleichen, das ich einschließlich dessen Hauptstadt
Lhasa aus Anlass einer Reise zum Esperanto-Weltkongress 1986 in Peking besucht
hatte. Die machtvolle katholische Kirche beeinflusste die Lebensweise sehr
stark und ihr Einfluss war auch handelsrelevant. So erzwang sie durch ihr
Fastengebot den Verbrauch von Fischen.
Eine zweite Randbedingung für
den damaligen Handel setzten die Verkehrswege. Soweit Menschen Ortsveränderungen
vor sich hatten, mussten sie laufen oder reiten; das galt auch für die
Armeen. Noch Napoleons Truppe zog vor 200 Jahren zu Fuß bis vor Moskau.
Der Transport von Gütern
war auf dem Landweg kaum möglich. Gerade die dichten fast undurchdringlichen
Wälder waren das Haupthindernis. Karren kamen kaum voran. Lasten tragen
konnten nur Pferde: ein Saumpferd schafft höchstens 30 km am Tag. Diese
alte Tagesleistung zeigt sich auch heute noch auf jeder Landkarte: rund gerechnet
liegt alle 30 km eine Stadt (Hamburg – Lüneburg – Uelzen – Celle – Hannover
– Hildesheim und weiter südwärts).
Deshalb musste der Warenverkehr
durch Schiffe auf dem Wasser bewältigt werden, also an der Küste
entlang über See oder durch Flüsse. Alle alten wichtigen Städte
liegen an der Küste oder an einem Fluss. Dabei war die Navigation schwierig.
Der Kapitän blieb deshalb in Sicht der Küste solange wie nur irgend
möglich.
Der Seeweg von Lübeck ging
demgemäß nordwärts immer längs der dänischen und
südschwedischen Küste (Name des Landesteils: Schonen) bis zur Insel
Gotland mit ihrem Hauptort Visby. Von dort musste man die Überquerung
der Ostsee wagen. Man fuhr dann in Richtung Osten hinüber zur baltischen
Küste und erreichte dort Kurland oder Livland, beides am Meer liegende
Landesteile von Lettland (Hauptstadt Riga).
Der hanseatische Handel befasste
sich mit damals üblichen Handelsgütern und er erfolgte über
Kontore der Hanse. So wurde neben anderen Produkten edles Tuch aus England
importiert. Textilien waren überhaupt eines der wichtigsten Handelsgüter,
weswegen sie hier als erste Ware erwähnt werden. Für Tuch war Köln
der bedeutende Handelsplatz. Die Schafe Englands gaben wegen der Qualität
des Grases eine besonders feine Wolle, die u. a. auf einer Wollmesse in Lancaster
gehandelt wurde.
Die Gilde der Kölner Kaufleute
errichtete für ihren Handel im Jahr 1194 eine „Gildenhalle“ (Guildhall)
in London und später den „Stahlhof“. Er lag an der Stelle, wo heute direkt
an der Themse der Cannon-Street-Bahnhof liegt; dort ist aber jetzt kein Hinweisschild
auf die hanseatische Vergangenheit dieser Stelle. Später wurden dann
weiterhin gewerbliche Artikel aus dem fortschrittlichen England eingeführt. Für solche
Waren war England als Pionier der Technik schon immer berühmt (später
Webstühle, Dampfmaschinen; Lokomotiven).
Ein zweites hoch bedeutendes Produkt
hanseatischen Handels waren Fische aus Norwegen, und zwar Stockfisch meist
von den Lofoten. Das ist getrockneter Kabeljau, der demgemäß haltbar
war.
Der Bedarf an Fischen war wegen
des katholischen Gebots zu fasten riesengroß. Es gab 140 Tage des Fastens
in einem Jahr.
Für die Fischversorgung gab
es in der norwegischen Küstenstadt Bergen das Hanse-Kontor namens „Deutsche
Brücke“, auf Norwegisch „tyske bryggen“. 2000 Deutsche, die „Südländer“,
wohnten und arbeiteten dort unter sich wie in einer Kaserne und die Einheimischen
sagten, sie „breiteten sich aus wie eine Krake“.
Das Adjektiv „deutsch“ wurde erst
im Zweiten Weltkrieg unter dem negativen Eindruck der deutschen Besetzung
Norwegens abgeschafft. Der Straßenzug am Hafen heißt heute schlicht
„Bryggen“. Ich war bei meiner Reise zum Esperanto-Weltkongress 1991 in Bergen
selbst in dieser romantischen Hafenstrasse.
Drittens sind als Handelsgut zu
erwähnen Felle aus Russland.
Pelz aus dem Fell von Tieren war
das wesentliche Material für die vor den Unbilden des Wetters schützende
Oberbekleidung. Andere Stoffe mit Tauglichkeit für diesen Zweck gab es
ja noch gar nicht. So gab es für dieses Produkt einen unermesslich großen
Bedarf. Gerade die höheren Stände brauchten viele möglichst
hochwertige Pelze; ein Beispiel: der englische König kaufte einmal 300.000
Pelze für seinen Hofstaat (Hermelin, Zobel, Marder).
Felle gab es reichlich in Russland.
Beispielhaft schöne Pelze trugen die Bojaren, Gouverneure des russischen
Zaren und Großgrundbesitzer. Solchen Schmuck wollten die Mitteleuropäer
auch haben. Das Hanse-Kontor war der „Peterhof“ in Nowgorod. Diese russische
Stadt bot einen kurzen Landweg zur Ostsee nach Riga oder auch nach Reval (heute
Tallin in Estland). Der Peterhof war eine Palisadensiedlung mitten in der
russischen Stadt mit einer eigenen Rechtsordnung, der „Schra“.
Ein viertes Handelsgut von Bedeutung
war Getreide. Die vom Klima benachteiligten Gebiete des europäischen
Nordens brauchten zusätzliche Nahrungsmittel, und gerade Getreide wuchs
unter den günstigeren Bedingungen Zentraleuropas besser. Die Hanse handelte
mit den Rohprodukten für das Essen. Der Hunger spielte Jahrhunderte lang
eine ausschlaggebende Rolle als Motor auch für die Handelsbeziehungen!
Es gab noch mehr Güter des
grenzüberschreitenden Handels, so Waffen aus Metall oder Holz als Baumaterial.
Hier soll aber nur noch fünftens unbedingt erwähnt werden der Handel
mit Salz aus dem Hamburg nahen Lüneburg und der mit Gewürzen wie
Nelken, Zimt, Ingwer, Pfeffer; dieses Gewürz wurde zum Sinnbild von Reichtum
spendendem Handelgut, denn man nannte die reichen Hamburger Kaufleute die
„Pfeffersäcke“. Für die Speisetafeln in den Häusern der Fürsten
und Könige wurde Luxus gebraucht, insbesondere auch für die opulenten
Festgelage in den Schlössern.
Vom Seehandel gibt es eine wichtige
Querverbindung zur Industrie. Um Handel über See betreiben zu können,
brauchte man Schiffe. Der „Lastesel“ der Hanse war die „Hansekogge“. Dafür
musste Schiffbau betrieben werden. Es waren also Werften zu errichten. Werften
sind bedeutsam als Pionierindustrie. Als Zar Peter der Große Russland
und seine Stadt Sankt Petersburg mit Industrie entwickeln wollte, wählte
er aus gutem Grund den Schiffbau, was in der Oper „Zar und Zimmermann“ verewigt
wurde.
Die Hanse war im ganzen nördlichen
Bereich Europas tätig. Da gab es einmal die westliche Hälfte. Kaufleute
der Hanse arbeiteten in Köln, in Westfalen und in Flandern, also den
Niederlanden und Nord-Belgien.
Von allererster Bedeutung war
Brügge, etwa vergleichbar mit heute New York. Dort gab es schon früh
sogar ein Bankenwesen. Der Reichtum Brügges und seiner Handel treibenden
Bürger war groß. 1276 erließ der Rat von Brügge eine
Verordnung gegen den Luxus des Südens, denn das Hosenmachergewerbe Brügges
kleidete die Beine der Herren in allerfeinstes (für den Rat: viel zu
feines) Tuch. Schließlich versandte die Zufahrt zum Hafen von Brügge.
Brügge verlor seine Bedeutung
und in 1530 ging der Handel nach Antwerpen, in eine Stadt, die bis heute von
wirtschaftlich herausragender Bedeutung ist. Brügge zeigt damit ein
bis jetzt fortbestehendes Problem von Hafenstädten für ihren Frachtschiffverkehr:
ihre Fähigkeit, auch wachsende Schiffsgrößen abfertigen zu
können, letztlich auch als Tiefwasserhafen zu dienen.
Hamburg, von der Tiefe der Elbe
abhängig, hat das Gebiet um die Insel Neuwerk an der Elbmündung
vor 30 Jahren als sein Hoheitsgebiet erworben, um auch in Zukunft für
den Hafenbau handlungsfähig zu sein. Dann setzte sich dort der Vogelschutz
durch, die Flächen um Neuwerk wurden ein Naturschutzgebiet. Jetzt wird
Wilhelmshaven in Niedersachsen zum deutschen Tiefwasserhafen entwickelt. Kann
Hamburg in seiner langfristigen Entwicklung dem Schicksal Brügges entgehen?
Zum anderen arbeitete die Hanse
in einer östlichen Hälfte: das war zuerst die Gemeinschaft der “Gotlandfahrer“.
Hauptort dieser Insel ist die Stadt Visby. Es kamen viele Ostsee-Städte
hinzu, womit die Bedeutung dieser Osthälfte wuchs. Schließlich
konzentrierte sich der Name Hanse auf die Handelsbeziehungen in der Ostsee.
So wird die Hanse auch heute noch gesehen.
Die amtliche regionale Aufteilung
der gefestigten Hanse zeigte vier regionale Untergliederungen:
der westliche Kreis mit dem Hauptort
Köln,
der sächsische Kreis mit
dem Hauptort Braunschweig,
der niederdeutsche Kreis mit dem
Hauptort Lübeck,
der preußische Kreis mit
dem Hauptort Danzig.
Diese örtliche Verteilung
wirft die Frage auf, wie der Fernhandel anderswo aussah. Konkret heißt
das: was war los südlich von Hildesheim? Hanseatische Kaufleute waren
durchaus bemüht, in den Handel Norditaliens einzusteigen. Schließlich
waren die Geschäfte Venedigs verlockend und versprachen Reichtum: Orientstoffe,
Parfüme, Gewürze. Diese Bemühungen scheiterten.
Auch kein Erfolg war der Hanse
beschieden in ihrem Bestreben, in das Geldwesen einzudringen. Die süddeutschen
Handelshäuser wie die Fugger und die Welser in Augsburg blieben ohne
Verbindung zur Hanse (allerdings war ihre Blütezeit nach dem Höhepunkt
der Hanse). Die Hanse betrieb weiterhin den Warenhandel und nicht das Geldwesen.
Die Hanse war ein Bündnis
von Kaufleuten, also von einzelnen Personen, besser gesagt: von alt eingesessenen
Familien. Aber diese Familien beherrschten ihre Städte. Insofern war
dann die Hanse auch ein Bündnis von Städten. Zu bestimmen hatten
die Familienoberhäupter. Demgemäß war die Hanse ein Männerbund.
Frauen hatten überhaupt nichts zu sagen. Dies stand durchaus im Gegensatz
zur gleichzeitigen Adelsgesellschaft anderswo, wo ja auch Königinnen
herrschen konnten oder die Damen die Gesprächskultur hochhielten. Es
gab auch berühmte Äbtissinnen, jedoch keine Kauffrauen.
Im Jahre 1460 waren 140 Städte
vom Niederrhein bis Livland im Baltikum Mitglieder der Hanse. So viele Städte
waren nicht immer alle zugleich Mitglieder, es gab vielmehr ein Hineingehen
und ein Verlassen. Ihr oberstes Gremium war der „Hansetag“, der meist in Lübeck
stattfand. Dessen Beschlüsse waren bindend, aber die „Verfassung“ war
locker. Ihr Geld war die „Mark Lübisch“.
Die Hanse war also keine Sache
der Völker. Ein solcher Begriff war damals ganz unbedeutend. Vielmehr
erfolgte die Gliederung der Landkarte nach den Fürstenhäusern. Es
gab auch keine gemeinsamen allgemein-politischen Ziele der Hanse. Deshalb
bestand auch keine Konkurrenz, kein Konflikt mit dem Kaiser und dem Reich,
dem „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“. Vielmehr hatte die Hanse
nur wirtschaftliche Ziele. So wollten die Kaufleute nur das tun, was immer
den guten Kaufmann auszeichnet, nämlich Gewinn machen und damit reich
werden.
Allerdings reichte die hanseatische
Aktivität doch auch in Politikfelder hinein, die schon mehr als Wirtschaft
waren. Im Landverkehr musste man sich vor Wegelagerern schützen. Für
den Seeverkehr war eine Abwehr von Piraten nötig. Deshalb musste die
Hanse auch eine Art Sicherheitspolitik betreiben, also Polizeiaufgaben erfüllen,
die nun wirklich hoheitlich sind. Eine gewisse Aufrüstung war nötig
und wurde toleriert.
Viele Kaufleute der Hanse wurden
reich. Sie bauten sich großartige Häuser, die noch heute die Hansestädte
auszeichnen; Lübeck gehört damit zum Welt-Kulturerbe. Sie schmückten
ihre Wohnhäuser mit erlesenen Kunstwerken. Meisterliche Bilder hingen
in ihren Zimmern (zum Beispiel von Rembrandt). Sie trugen schwere dunkle Anzüge,
ganz enge („zu enge“) Strumpfhosen beim Mann (Frauen versteckten ihre Beine
in knöchellangen Kleidern). Die Ehefrauen der hanseatischen Kaufleute
trugen teuer verzierte Kleider und reichlich goldenen Schmuck und Edelsteine.
Auch die Hansestädte wurden
reich. Ihre Rathäuser künden von ihrer Macht, ihre prächtigen
Kirchen sind noch heute zu bestaunen. Das sagt allerdings nichts über
das Wohlergehen der Einwohner der Hansestädte. Die Masse der Menschen
war arm. Dennoch, es gab in den Hansestädten keinen Adel, damit keine
übermäßige Ausbeutung der Volksmassen und damit keine Schlösser.
So kann man es heute noch sehen im Vergleich von Hansestädten (zum Beispiel
Hamburg) zu Residenzstädten (zum Beispiel München).
Die Sprache der hanseatischen
Kaufleute war selbstverständlich Deutsch, genauer gesagt Niederdeutsch.
In allen ausländischen Niederlassungen der Hanse musste diese Sprache
der Kaufleute auch von den örtlichen Hilfskräften wie Knechten
und Mägden benutzt werden. Die Ladengeschäfte und die Gasthäuser,
von den auswärtigen und deutschsprachigen Händlern besucht, mussten
Deutsch verwenden. Ebenfalls hatten die örtlichen Händler, beispielsweise
die sibirischen Pelztierfänger, in der Herrschaftssprache Deutsch mit
den Kaufleuten zu verhandeln. Dann waren auch die Kircheninschriften auf Deutsch,
was man heute noch so lesen kann, z. B. in Hamlets Schloss im dänischen
Helsingör.
Damit war aber das Deutsche nicht
in den Rang einer internationalen Verständigungssprache aufgestiegen.
Es waren deutsche Kaufleute, die Deutsch sprachen, auch wenn sie sich in fremden
Ländern aufhielten. In gewissem Sinn kann man diese Funktion mit einer
Kolonialsprache gleichsetzen.
Von ihrem Charakter her war die
Hanse anzusehen wie eine Zunft (so bei Handwerkern) oder eine Gilde (so bei
Händlern). Letztlich war das ein Kartell, also ein Monopol im Handel.
Jedes Monopol kann keine Außenseiter dulden, denn sie machen das Geschäft
mit seinen intern vereinbarten hohen Preisen kaputt. Nur mit strenger Disziplin
der Partner kann man die Preise hochhalten.
Weil die Geschäfte eines
Monopols so blendend laufen können, und im Fall der Hanse war dies der
Fall, wollten sich immer neue Teilnehmer hineindrängeln. So stand es
auch um die Hanse. Ein solcher Drängler war Dänemark, das damals
eine militärische Großmacht war.
Dänemark lag mitten im Hansegebiet
und war doch nicht begünstigt. Also gab es Krieg. 1361 eroberte Dänemark
Visby und die Insel Gotland, ein hansisches Stammland. Von Seiten der Hanse
besiegte dann aber eine „Kölner Konföderation“ 1367 Dänemark
und diktierte 1370 den Stralsunder Frieden.
Noch bedeutender waren die Auseinandersetzungen
mit England. Dieses Land war eine bedeutende Wirtschaftsmacht und doch ausgeschlossen
vom Monopol des Handels in den Hansestädten.
Um England (und andere Aspiranten)
außen vor zu halten, entschied der Hansetag des Jahres 1557, dass immer
alle Mitgliedsstädte stets alle Maßnahmen mitmachen müssen.
Wer gemeinsame Entscheidungen missachtet, wird aus der Hanse ausgeschlossen
und verliert damit die Vorteile der Zugehörigkeit zum Handelsmonopol.
Trotzdem gab Hamburg den Engländern
im Jahr 1567 ein Niederlassungsrecht. Das galt aber als ein Ausscheren aus
der Hanse. 1586 musste Hamburg unter dem Druck der Hanse sein vergebenes Recht
wieder zurückziehen. Damals erließ Kaiser Rudolf II ein deutsches
Handelsverbot gegen England. Im Gegenzug schloss Elisabeth I von England
im Jahr 1598 den „Stahlhof“, das Hanse-Kontor in London.
Schließlich höhlte
Hamburg das Monopol der Hanse endgültig aus. Ab dem Jahr 1611 waren
englische Kaufleute in Hamburg frei tätig, die sich die „Merchant Adventurers“
nannten. Sie übten ihre Rechte im Handel bis 1806 aus.
Dass dieser Begriff über
nur einige Kaufleute, die in einer einzigen Stadt arbeiten durften, sich
bis heute als Stichwort in Lexika erhalten hat, liegt eben an ihrer Bedeutung:
sie bewirkten mit ihrer freien Arbeit in Hamburg das faktische Ende der berühmten
großmächtigen Hanse.
Hamburg hatte also die Axt an
den Stamm der Hanse gelegt. Das war aber vorausschauend und wie schließlich
erwiesen auch allein zukunftsträchtig. In Hamburg hatte der Rat der Stadt
dem „Gemeenen Kopman“, einem Zusammenschluss der Seehandel treibenden Kaufleute,
im Jahre 1517 das Recht zuerkannt, einen Vorstand zu wählen, der „alles
Notwendige zu des Kaufmanns Nutzen“ fördern sollte.
Der Begriff „Gemeener Kopman“
wurde im 17. Jahrhundert umbenannt zum neuen Fachausdruck „Ehrbarer Kaufmann“.
Diese Kaufleute wirkten dann mit in der „Commerz-Deputation“, aus der 1867
die Handelskammer wurde. Noch heute hat Hamburg eine „Handelskammer“, während
überall sonst in Deutschland der Name „Industrie- und Handelskammer“
lautet. Ebenfalls noch heute ist in Hamburg tätig die „Versammlung eines
ehrbaren Kaufmanns e. V.“.
Hamburg ist die Stadt der Galerien,
überdachter Einkaufsstrassen. In einer der schönsten von ihnen,
in der „Hanse-Galerie“, sind in einem Bronzeband im Fußboden zu lesen
die Grundsätze des Hanse-Monopols von 1469 und die teilnehmenden Hansestädte
sowie die gehandelten Waren. In diesem Jahr war die Welt der Hanse noch in
Ordnung.
Das Ende der Hanse zeichnete sich
dann immer deutlicher ab. 1492 entdeckte Kolumbus Amerika. Das war der Beginn
einer Verlagerung des Handels von den europäischen Binnenmeeren (darunter
die Ostsee) in den Atlantik. Vasco da Gama kam 1497 nach Indien, damit begann
auch der Asienhandel.
Im Jahre 1494 wurde der „Peterhof“
in Nowgorod durch den russischen Großfürsten geschlossen. Zwar
wurde er in 1514 wieder eröffnet, aber dann kamen keine deutschen Kaufleute
mehr. Der „Stahlhof“ in London war, wie schon erwähnt, 1598 geschlossen
worden. 1510 gaben die Schweden und die Dänen den Holländern dieselben
Rechte wie der Hanse.
1517 schlug Martin Luther seine
Thesen an das Portal der Schlosskirche in Wittenberg. Daraus entstand die
protestantische Kirche und dadurch wiederum verlor die katholische Kirche
an Einfluss. Dies schränkte das strenge Fasten ein, so dass der vordem
riesige Bedarf an Fischen, dem wichtigen Handelsgut der Hanse, sank.
Von 1618 bis 1648 herrschte der
30-jährige Krieg gerade auch in Norddeutschland. Schweden war intensiv
beteiligt, jeder kennt den Namen des Schwedenkönigs Gustav Adolf, der
1632 in Lützen im norddeutschen Land Sachsen-Anhalt auf dem Schlachtfeld
zu Tode kam. Das Gebiet der Hanse war voll betroffen und Vieles wurde zerstört.
Es gab Jahrzehnte lang keinen Handel.
1669 fand der letzte Hansetag
in Lübeck statt, auf dem nur bloß noch 6 Städte vertreten
waren. So war die Hanse zu ihrem Ende gekommen.
Veranstaltungshinweis
Die Fakultät für Philologie und Theaterwesen der "Lucian-Blaga"
- Universität Hermannstadt (Sibiu/RO) veranstaltet durch ihren Lehrstuhl
für Germanistik zusammen mit der Internationalen Akademie der Wissenschaften
(AIS) San Marino, der Gesellschaft für sprachgrenzübergreifende
europäische Verstän- digung (Europaklub) e.V. und dem Arbeitskreis
für liberale europäische Sprachpolitik (ALEUS) e.V. vom 21. bis
24. Februar 2003 eine Fachtagung zum Thema
Eurologie und
Hochschulpädagogik.
Ort: Fakultätsgebäude, Sibiu, B-dul Victoriei 5 - 7, Erdgeschoß,
Arbeitssprachen: Deutsch, Rumänisch und Esperanto,
Tagungsleiter: Prof.Dr.Gerhard Konnerth, Präsident des Akademischen
Auslandsamts.